... die inzwischen zur Normalität geworden sind.
Dieser Blogeintrag soll all die kleinen Dinge vorstellen,
die für mich schon ganz selbstverständlich und alltäglich geworden sind, so
normal dass ich nicht mehr auf die Idee komme, sie in meinen anderen
Blogeinträgen zu erwähnen. All diese Dinge waren für mich bei meiner Ankunft im
September auch fremd bis verwunderlich,
aber ich habe gelernt, wenn man will, kann man sich an so ziemlich alles
gewöhnen!
Einfach Ecke abreißen und Trinken |
1. Sachet d’eau: Ja hier fängt es schon an,
wie übersetzt man das ins Deutsche? Wasserbeutel? Wassersäckchen? Aus diesen
Dingern trinken wir zumindest jeden Tag unser Wasser hier. Immer mit 0,5 l gefüllt
kann man so auch gut mitzählen ob mal seine 3 Liter an Tagesbedarf schon
erreicht hat. Man trinkt das abgepackte Sachet-Wasser weil das Leitungs- und
Brunnenwasser leider keine Trinkqualität hat, bzw. für meinen deutschen
Magen-Darm-Trankt nicht sauber genug ist, manche Einheimische vertragen es aber
gut.
2. Das liebe Geld: In Togo bezahlt man mit
dem westafrikanischen CFA. Der Kurs beträgt 656 CFA zu 1€ und schwankt nie,
denn der CFA ist an den Euro gekoppelt. Der größte Schein ist ein 10.000er,
umgerechnet 16€. Den komme ich jedes Mal am Bankautomaten ausgespuckt, leider
kann ich damit fast nirgends bezahlen, denn meistens fehlt es an ausreichendem
Wechselgeld. Ein weiteres Problem ist das Kleingeld, davon gibt es einfach zu
wenig. Niemand will seins hergeben, weder zum Bezahlen noch zum Rausgeben. Die
Münzen sind teilweise schon 40 Jahre alt, bei manchen Scheinen könnte man das
auch vermuten, so dreckig und verknittert wie die sind.
Nicht legal, aber solange keine Polizei in der Nähe ist vollkommen üblich - Lena, Lina und Hannah teilen sich ein Moto |
3. Öffentliche Verkehrsmittel: „In Deutschland gibt es Züge die unter der
Erde fahren?? Mach keine Witze!“ Will man Togo von A nach B kommen, nimmt man
sich je nach Länge der Strecke entweder ein Moto-Taxi, Auto-Taxi oder ein
Trotro. Die Motos wählt man für kürzere Strecken aus. So kann ich
beispielsweise für 300 CFA (ca. 50 Cent)
auf den 10 Minuten entfernten Grand Marché fahren. Für etwas längere Fahrten
kann man sich auch ein Auto-Taxi nehmen, vor allem wenn man in der Gruppe
unterwegs ist, ist das öfters günstiger. Ist man allein unterwegs, kann man
sich auch ein Gemeinschaftstaxi nehmen, das man sich mit anderen Leuten teilt
und jeder ein und aussteigen kann, wann er möchte. Solche Gemeinschaftstaxis
pendeln auch oft auf bestimmten Strecken, also fast wie ein Linienbus. Beim
Taxi fahren gilt übrigens immer: zwei auf dem Beifahrersitz, vier auf der
Rückbank, Kinder immer auf den Schoß und wenn’s mal hart auf hart kommt muss
noch einer in den Kofferraum oder der Fahrersitz wird auch noch geteilt.
Vielleicht ist das eine Erklärung für Togos schlechte Unfallstatistik. Für
längere Strecken, vor allem zwischen den Städten, nimmt man sich ein Trotro.
Das sind Kleinbusse, die an bestimmten Stationen abfahren. Und Abgefahren wird
erst, wenn das Trotro bis auf den letzten Sitz besetzt ist. Und hier wird auch
gequetscht, vier Personen passen doch gut in die Dreier-Reihe. Auf dem Schoß,
im Kofferraum oder auf dem Dach befinden sich dann noch sämtliche Gepäckstücke,
diverse Erntewaren, Hühner, Ziegen oder was eben sonst so transportiert werden
muss. Nicht selten ist es im Trotro so eng, dass man sich nicht sicher sein
kann, ob der Schweißtropfen der einem gerade am Arm entlang rinnt sein eigener
ist oder vom Nebensitzer kommt. Nichtsdestotrotz finde ich Trotros eine klasse
Erfindung! Sie fahren immer, sie fahren überall hin, sie sind günstig, sie sind
gesellig, sie haben keine festen Abfahrtszeiten und man kann deshalb nie den
Bus verpassen J
4. Zeitverständnis: Eile ist hier ein
Fremdwort, denn wenn die Leute hier eines reichlich haben, dann ist es Zeit.
Man erledigt alles in Ruhe, hat immer Zeit für einen Plausch und das tägliche Reposer (Ausruhen) ist heilig und die
optimale Entschuldigung für alles. Durch dieses lockere Zeitverständnis
entsteht öfters mal Leerlauf, im deutschen Sprachgebrauch auch als lästiges
Warten bezeichnet. Dabei kann man diese Zeit doch so gut nutzen, man ruht sich
ein bisschen aus, führt ein paar nette Gespräche, kauft sich was zum Snacken und
schon ist die Zeit um. Wenn ich mal wo eine Stunde warten muss, finde ich das
gar nicht mehr schlimm, im Nachhinein kommt es mir dann wie 10 Minuten vor.
Die erste in Togo erbaute christliche Kirche steht in Togoville. |
5. Religionen: Glaubenskriege?
Unterdrückung von Minderheiten? Ausgrenzung von Andersgläubigen? Nicht in Togo!
Ich habe noch nie erlebt, dass so viele Religionen so friedlich zusammenleben.
Mit meiner Gastfamilie besuche ich einen katholischen Gottesdienst, bei meinem
Mittagschlaf werde ich regelmäßig vom Muezzin geweckt und auf dem Markt kaufe
ich mir Voodoo-Schmuck. Christentum, Islam und Animismus (Naturreligionen) sind
die drei größten Glaubensrichtungen in Togo. Nicht selten kommt es vor, dass
die Menschen neben dem christlichen oder muslimischen Glauben auch auf Schwarze
Magie vertrauen. Ein unerwarteter Regenguss während der Trockenzeit? Da muss
der Rainmaker dahinter stecken. Einer Schülerin wurde einmal Geld gestohlen,
darauf hin sprach der Lehrer einen Fluch auf den vermeintlichen Dieb aus und
wenige Tage später bekam das Mädchen sein Geld zurück. Übersinnliches steht in
keinerlei Wiederspruch zu Bibel oder Koran und kann einige unglaubliche
Phänomene erklären. Überhaupt ist Glaube hier ein sehr präsentes Thema und wird
vier offener ausgelebt als in Deutschland. Ein sehr hoher gesellschaftlicher Wert
hier ist Respekt. Jeder wird akzeptiert wie er ist und darf so bleiben. Hier
wird niemand schräg angeschaut, es wird nicht hinter dem Rücken getuschelt oder
sich ein vorschnelles Urteil gebildet. Man respektiert seinen Gegenüber
einfach. Ein gesellschaftlicher Wert, den ich in Deutschland sicher vermissen
werde!
6. Namen: Aus einer alten Tradition werden
Kinder nach dem Wochentag benannt, an dem sie geboren sind. Für jeden Tag gibt
es einen bestimmten Mädchen- und Jungennamen. Da ich an einem Sonntag geboren
bin, wäre mein Name Akossiwa. Oft
haben die Kinder auch drei bis vier Vornamen. So finden sich neben typischen
togolesischen Vornamen wie Kossi, Koffi,
Ama und Yaovi auch viele französische Vornamen. Alte französische Vornamen
wie Bienvennue (Willkommen), Dieu-donne (Gottgegeben) und Bien-nè (Gut geboren) finden auch großen
gefallen sowie biblische Namen wie Rebécca,
Emmanuel und Mohamed. Für meine
Schüler ist es regelmäßig eine Gaudi, wenn ich Klassenarbeiten zurück gebe und
mich mit ihren Namen plagen muss. Aber Ahouandjogbe, Djihoundo und Houenougnon
sind für mich immer noch Zungenbrecher.
7. Schneiderhandwerk: Von den vielen
bunten Stoffen, genannt Pagne (gesprochen: Panje) habe ich bestimmt schon
öfters erzählt. Auf den Märkten findet man einfach alle erdenklichen Farben und
Muster. Mit seinem Pagne geht man dann zu einem Schneider, von denen es in der
Stadt fast so viele wie Friseure gibt. Dem erklärt man dann was man haben
möchte, am besten anhand eines Fotos oder einer Zeichnung und wenige Tage
später kann man es dann abholen. Mit dem passenden Stoff, guter
Erklärungsfähigkeit und einem talentiertem Schneider kann so jeder
Designertraum wahr werden. Und das besten dabei: Jedes Stück ein Unikat,
maßgeschneidert und günstig obendrein. Für ein Kleid zahle ich ca. vier Euro,
für einen Rock drei. So kommt’s dass ich mir schon zwei Hosen, vier Röcke, drei
Kleider, zwei Oberteile und eine Tasche hab machen lassen. Und es gibt noch
sooo viele Pagne die von mir gekauft und in schöne Klamotten verwandelt
werden möchten.
Ich mit Tresse und Nabi mit geglätteten Haaren |
8. Ich hab die Haare schön: Jede Frau
träumt von langen Haaren, auch in Togo. Für die meisten Frauen hier ist das
nicht so einfach, da ihre Haare sehr lockig und widerspenstig sind. Für sie
gibt es drei Möglichkeiten: die Haare glätten, eine Perücke tragen oder Tresse.
Glätten kann man nur bis zu einer bestimmten Länge, Perücken sind ziemlich warm
und Tresse sind auch warm und schwer dazu. Deshalb werde ich öfters um meine
glatten, wenn auch gar nicht mehr so langen Haare beneidet. Die Tresse habe ich
diesen Monat mal ausprobiert. Dafür werden mehrere Packungen Kunsthaar (Mesh)
mit dem Echthaar verflochten. Bei mir dauerte das sechs Stunden und es waren
auch sechs Stunden Schmerzen! Das Ergebnis hat sich aber sehen lassen, wenn ich
der Meinung meiner Mitmenschen vertraue, die behaupteten dass ich mich nun in
eine richtige Togolesin verwandelt habe. Die togolesische Frau trägt diese
Haarpracht um die vier Wochen, ich hingegen war nach zwei Wochen und zwei Tagen
froh, meinen Kopf von diesem Gewicht befreien zu können.
Das rosa Fan Milk Eis <3 |
9. Essen an der Straße: Für den kleinen
und großen Hunger zwischendurch lässt sich hier immer was finden. Gefühlt jede
zweite Frau in Togo verkauft etwas zu Essen, entweder an einem Stand auf dem
Markt, an der Straße oder ganz mobil mit der Ware auf einem Tablett oder in
einer Schüssel auf dem Kopf. Sitzt man im Taxi oder Trotro und hält an einer
Ampel, Zoll- oder Mautstation an, scharen sich sofort mehrere Verkäuferinnen um
das Auto und preisen ihre Ware an. So kann man sich dann noch ganz bequem mit
Snacks und Getränken für die Fahrt eindecken. Besonders gerne hole ich mir
frisches Obst (Orangen, Mangos und Avocados), Erdnüsse, Bananenchips, frittierte Teigbällchen und zum
Trinken frische gekühlte Säfte. Gerade bevorzuge ich Zitronen-, Baobab- und
Hibiskussaft, die auch in Sachet verkauft werden. Zur Abkühlung darf’s dann
auch mal ein Eis der Marke „Fan Milk“ sein. Meine Lieblingssorte ist
Himbeer-Erdbeere (gibt’s leider nur in Ghana) und Schoko. Verkauft wird das Eis
auch im Sachet.
10. Yovo, yovo Bonsoir: Das ist der Anfang
eines Kinderliedes, das jedes Kind in Togo kennt und auch sofort anfängt zu
singen, sobald es eine Yovo sieht. Denn Yovo ist das Ewe-Wort für Weiße. Ich habe eine andere Hautfarbe und deshalb falle ich auf, ist ja logisch! An manchen Tagen finde ich es ziemlich nervig ständig angequatscht zu werden, ständig Heiratsanträge von fremden Männer zu bekommen und andauernd im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Meine Hautfarbe öffnet mir hier durchaus Türen, meistens wäre ich aber doch lieber schwarz. Auf dem Markt oder beim Taxi fahren bekommt man grundsätzlich einen höheren Preis gesagt, denn hier gilt das Vorurteil Weiß = reich. Viele Leute sind sehr überrascht wenn ich ihnen erkläre, dass ich einen Freiwilligendienst mache, meine Freizeit opfere und dafür noch nicht einmal Geld bekomme. Klar tut es mir nicht weh, für eine Taxifahrt mal 15 Cent mehr zu zahlen, aber ich find's trotzdem unfair. Durch meine Hartnäckigkeit und mein oft erprobtes Verhandlungstalent bezahle ich aber dann meistens doch den Local-Preis. Ich habe mich sehr gut eingelebt und Togo ist mittlerweile schon so etwas wie ein zweites Zuhause für mich geworden, doch ein Stück weit werde ich immer eine Fremde bleiben. Das fällt mir immer wieder auf, wenn ich durch meine Hautfarbe mal wieder benachteiligt oder ausgenutzt werde. Manchmal macht mich das sehr traurig, aber ich bin nun mal eine Togolesin und jemand aus Togo wird es andersherum in Deutschland wohl auch nicht einfach haben...
Wie ihr merkt, ist es mir mal wieder schwer gefallen mich kurz zu fassen und ich könnte noch so viel mehr erzählen, aber ein paar Geschichten und Anekdoten muss ich auch für meine Rückkehr im August aufheben, die (leider) mit jedem Tag näher rückt.
Ich wünsche euch allen jetzt schon mal frohe Ostern und schöne Feiertage! Haltet die Ohren steif und bis bald!
P.S.: Falls euch Blogeinträge wie dieser gefallen und ihr gerne mehr erfahren würdet oder es andere Sache gibt, die euch besonders interessierten, lasst es mich wissen! Denn mir gehen langsam die Themen aus und wenn ich ständig von meinen Reisen berichte kommt ihr vielleicht noch auf die Idee, dass ich nur zum Urlaub machen hier bin, wo doch meine Hauptaufgabe das Arbeiten ist!
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