Blick auf die Innenstadt von Lomé |
In meinen letzten Blogeinträgen habe viel vom Reisen
berichtet, nun möchte ich mal wieder etwas zu meinem Projekt, dem Schulalltag
und allem drum herum berichten.
In der Schule habe ich mich mittlerweile schon sehr gut
eingefunden. Mit den Kollegen verstehe ich mich nach wie vor sehr gut und freue
mich auch immer ein Schwätzchen mit ihnen halten zu können, denn mein
Französisch gibt mittlerweile schon einiges her.
Diese Woche habe ich nun auch meine erste eigene
selbstvorbereitete Unterrichtsstunde gehalten. Ich war vorher total aufgeregt,
schlimmer noch wie bei meinen GFS in der Oberstufe. Nachdem ich dann aber ein
paar Minuten vor der Klasse stand und die Schüler einigermaßen im Griff hatte,
war ich schon wesentlich entspannter. Den Unterricht hab ich dann auch gleich dreimal
hintereinander gehalten, nämlich in allen drei sixèmes die M.Gbadoe und ich seither zusammen unterrichtet haben.
Bei 100 Schülern im Raum ist es natürlich nie ganz ruhig und so war meine
Stimme nach drei Stunden auch etwas strapaziert. Trotzdem hat mir das
Unterrichten sehr viel Spaß gemacht und ich habe mich auch gefreut, dass die
Schüler so gut mitgearbeitet haben und ich meine Bluse nicht umsonst
durchgeschwitzt habe (was aber auch an den 34° C Lufttemperatur liegen kann). Am
Ende jeder Stunden hat mein Lehrer die Schüler aufgefordert für mich zu
applaudieren und alle sind von ihren Bänken gesprungen und haben angefangen zu jubeln
und zu klatschen. So schlecht kann ich wohl nicht gewesen sein… Auch mein
Lehrer M. Gbadoe war sehr zufrieden mit mir und hat in der Pause sogar andere
Lehrer in den Unterricht eingeladen, damit sie mir beim Unterrichten zuschauen
können. Zum Glück ist niemand gekommen! Am nächsten Tag hab ich gleich noch
eine Stunde gehalten und den Stoff der letzten Wochen für die
Abschlussprüfungen des Trimesters wiederholt. Auch diese Unterrichtsstunde lief
super, aber wie gut ich wirklich gearbeitet habe, wird sich zeigen wenn ich die
Prüfungsergebnisse vor mir habe.
Meine Motivation nach 200 korrigierten Prüfungen... |
Es gab in der Mitte dieses Trimesters bereits
schulinterne Prüfungen, bei denen ich auch bei der Prüfungsaufsicht mithelfen
durfte. Selbstverständlich habe ich mich dann auch am Korrigieren beteiligt und
die Blätter von zwei Klassen mit nach Hause genommen, also nur 200 Stück.
Insgesamt waren 20 Punkte zu erreichen, wobei leider nur ein Drittel der
Schüler mehr als 10 Punkte erreicht hat. Korrigieren und auch mal schlechte
Noten zu verteilen gehört eben auch zum Lehreralltag, macht aber eher weniger
Spaß. Viele Schüler haben alle Aufgaben bearbeitet, aber sehr viele
Schreibfehler gemacht, da sie nur nach Gehör schreiben. Sie haben im Unterricht
gut mitgearbeitet, aber ihr Heft zu Hause wahrscheinlich nicht mehr in der Hand
gehabt. Ein paar Wochen später haben wir auch eine Klassenarbeit schreiben
lassen, die ähnlich ausgefallen ist und so habe ich nach 400 korrigierten
Testblättern beschlossen im nächsten Trimester einen „English Supporting Club“
zu gründen. Das wird eine kostenlose Nachhilfe-AG am Nachmittag werden, in der
ich den Stoff für alle interessierten Schüler wiederholen möchte und einfach
Defizite ausgleichen möchte.
In diesem Trimester habe ich auch schon an mehreren
English-Teacher-Seminaren teilgenommen und dort viele hilfreiche und
interessante Anstöße für meinen Unterricht sammeln können. Die Seminare werden
nämlich alle auf Englisch gehalten und so konnte ich alles verstehen und gut
mitarbeiten. Die Lehrer dort waren alle sehr nett und total offen. Einige haben
mich auch in ihren Unterricht eingeladen und mir ihre Hilfe bei Fragen
angeboten. An einem Seminartag war ich
krank, bin deshalb früher nach Hause und hab sofort eine SMS von den besorgen
Seminarteilnehmern erhalten, die mir gute Besserung gewünscht haben. Das fand
ich total süß und meine schnelle Genesung lag bestimmt auch an der Anteilnahme
meiner Mitmenschen hier.
Auf den Seminaren bin ich mit den Lehrern auch ins
Gespräch über das togolesische Schulsystem gekommen. Ich muss zugeben, dass ich
mich während meiner eigenen Schulzeit sehr oft über das deutsche Schulsystem
beschwert habe, aber hier gemerkt habe, wie gut wir es eigentlich hatten.
Die Schüler hier reden zu Hause mit ihrer Familie fast
ausschließlich auf der Sprache der jeweils angesiedelten ethnischen Gruppe. In
der Region Maritime und in Lomé also hauptsächlich Ewe und Mina. Ab ihrem
ersten Schultag in der ersten Klasse werden die Kinder aber auf Französisch
unterrichtet. Somit ist das Schulsystem eigentlich schon von vorne herein zum
Scheitern verurteilt. Sie lernen zwar auch Französisch, aber das reicht anfangs
bestimmt nicht aus um Mathe oder Erdkunde auf Französisch zu verstehen. Aus
diesem Grund fehlen den Schülern später wichtige Grundlagen, aus denen dann
schlechte Noten resultieren. Deshalb ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass
so viele Schüler sitzen bleiben. Dazu kommen dann noch die viel zu großen
Klassen hinzu, in denen der Unterricht für die Schüler auch sehr anstrengend
ist. Manche Schüler aus der letzten Reihe können nicht mal zur Tafel schauen
und die Jüngeren hockten teilweise zu viert in einer Bank für zwei Personen, da
hat nicht mal das Heft jedes Schülers Platz.
Wenn in der Unterrichtsstunde mal ein Schüler laut ist
und der Lehrer fragt wer es war, dann zeigen die andern immer sofort auf den
Übeltäter. Anfangs fand ich dieses Verpetzten ziemlich unsolidarisch, dafür
dass unsere Schule „Lycee Tokoin Solidarité heißt. Mittlerweile kann ich das
Verhalten der Schüler aber gut nachvollziehen. Beim Lernen in so einer erschwerten
Umgebung mit großen Startschwierigkeiten, ist es logisch, dass die Schüler
irgendwann zum Einzelkämpfer mutieren. Wenn sie nicht selbst danach schauen,
das Beste rauszuholen, dann macht es niemand.
In Ermangelung von Beamern, Lageslichtprojektoren und Smartboards können Lehrer hier alle besonders gut zeichnen. |
Ich sehe mich hier vor einem riesigen Problem stehen und
fühle mich, als ob mir die Hände gebunden wären. Mir bleibt nichts anderes
übrig, als zu versuchen, meinen Unterricht so ansprechend wie möglich zu
gestalten, habe aber trotzdem immer das Wissen im Hinterkopf, dass ich niemals
alle erreichen werde. Was hier nötig ist, sind Reformen, neue Klassenräume für
kleinere Klassen und deshalb auch mehr Lehrer, aber die togolesische Regierung
steckt hier das Geld lieber ins Militär und tut Lehrer unterbezahlen.
Ich hoffe ich konnte euch einen kleinen Einblick in meinen
Arbeitsalltag und auf meine Sicht der Dinge geben. Das erste Trimester dieses
Schuljahres endet diese Woche und wird kommende Woche noch mit den Prüfungen
abgeschlossen. Dann werden die 40 Lehrer und 2600 Schüler in die wohlverdienten
Ferien entlassen. Ich melde mich bald wieder um über die Weihnachtszeit in Togo
zu berichten. So viel vor ab: Bei 34° C kommen nur sehr schwer weihnachtliche
Gefühle auf!
Sonnige Grüße in die Heimat!
Ein Bild das ich noch mit euch teilen möchte:
Es stammt aus einem Online-Artikel der Washington Post und wurde von einen genervten und verzweifelten Reporter veröffentlicht. Ich hab Verständnis für ihn!
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